Die möglichst weitgehende Unabhängigkeit von Dritten gehört zu den verbreitetsten Mythen in Unternehmerfamilien. Inwieweit das im Zusammenhang des In- oder Outsourcing von Dienstleistungen für die Familie sinnvoll ist, behandelt Teil 8 dieser Beitragsserie:
Mythos #08:
Durch ein eigenes Family Office machen wir uns von anderen unabhängig
Der Wunsch nach Unabhängigkeit von Dritten begegnet einem in Unternehmerfamilien an mehreren Stellen: Oft sehr ausgeprägt ist die Angst vor einer Abhängigkeit von Banken, weshalb viele Familienunternehmen mit einer überraschend hohen Eigenkapitalquote arbeiten. Auch der Wechsel vom Familienmanagement zum teilweisen oder vollständigen Fremdmanagement für das Familienunternehmen fällt wohl keiner Familie leicht, nicht zuletzt, weil man die Abhängigkeit von familienfremden Managern fürchtet. Für manche Familien ist auch die Gründung eines Family Offices ein Vehikel, um sich von Dritten unabhängig zu machen. Und etwas kleinteiliger gedacht stellt sich auch bei jeder Dienstleistung des Family Offices die Frage, ob man sie lieber selbst erbringt oder an Dritte auslagert. Welche Aspekte hierfür maßgeblich sind, soll im Folgenden untersucht werden.
Die Entscheidung über das Make or Buy einzelner Dienstleistungen ist unterschiedlich komplex. Ist für die Erbringung der Leistung die Herausgabe einer Information notwendig, zu der ein wichtiger Vermögensträger absolut nicht bereit ist, ist klar, dass die Leistung inhouse erbracht werden muss. Meist liegen die Dinge aber vielschichtiger, zum Beispiel wenn sich die Frage stellt, ob es sich lohnt, für eine bestimmte Leistung das erforderliche Know-how aufzubauen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Dann sind schon drei Entscheidungsfelder betroffen: Expertise, Technologie und Kosten. Die allermeisten Outsourcing-Entscheidungen lassen sich anhand von sieben Entscheidungsfeldern strukturieren; neben den drei bereits genannten sind die Regulierung, Kontrolle, Vertraulichkeit und Komplexität. Schauen wir uns die Entscheidungsfelder im Einzelnen an:
Expertise: Prinzipiell ist Expertise immer von Vorteil. Wenn von ihrem Umfang und ihrer Aktualität aber die Qualität der Leistungserbringung abhängt (wie das meistens der Fall sein wird), sollte man genau abwägen, wo es eigener Expertise bedarf und wo man sie besser zukauft. Denn je kenntnisreicher und erfahrener das Personal sein muss, um die Leistungen des Family Office zu erbringen, desto teurer wird es sein. Auch die Notwendigkeit, Expertise aktuell zu halten, zieht Aufwand nach sich. Expertise aufzubauen, birgt das Risiko von Ineffizienzen und Lehrgeld aufgrund von Lernkurven. Daher kann schon einiges dafür sprechen, die Erwartungen an die eigene Expertise des Family Offices nicht zu hoch zu schrauben. Eigene Expertise lohnt sich in Bereichen, die eine hohe praktische und zahlenmäßige Relevanz für die Tätigkeit des Family Offices haben. Auch dort, wo die Leistungen sehr familienspezifisch sein sollen, wird sich der Aufbau eigener Expertise empfehlen. Gleiches kann z. B. bei Auslandsbezügen von Gesellschaftern gelten, wo ein wiederholt eingeholter Rechtsrat erfahrungsgemäß sehr teuer ist. Oft werden Tätigkeiten auch allein deshalb inhouse erbracht, weil die entsprechende Expertise (zufällig) vorhanden ist. Das kann z. B. dann sinnvoll sein, wenn Know-how-Träger hier ein Familienmitglied ist und dieses so gut in das Family Office eingebunden und damit dessen Akzeptanz in der Familie und/oder die Anbindung des betroffenen Familienmitglieds an das gemeinsame Vermögen gestärkt werden. Grundsätzlich sollte aber auch bei schon vorhandener Expertise im Einzelfall geprüft werden, ob das Make effizient ist. Und wenn das Know-how irgendwo im Familienunternehmen angesiedelt ist, sollte erst recht genau untersucht werden, inwieweit seine Nutzung im Family Office vor dem Hintergrund der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen sinnvoll ist.
Technologie: Sofern es um das Funktionieren der IT- und Bürosysteme geht, kann eigentlich nur der Aspekt der Vertraulichkeit oder der Wunsch nach ausschließlicher Datenhoheit für ein Insourcing sprechen. Ansonsten handelt es sich hier um Dienstleistungen, die von größeren, hierauf spezialisierten Einheiten immer effizienter erbracht werden können als vom Family Office selbst. Idealerweise wird das Family Office in die IT-Infrastruktur des Familienunternehmens eingebunden, wobei nur wenigen dezidierten IT-Mitarbeitern Einsichtsrechte gewährt werden. Sofern es um das Vermögensreporting geht, liegt die Entscheidung etwas anders: Hier gibt es externe Anbieter, die sehr individuell zugeschnittene Vermögensreportings anbieten und dabei sowohl das Know-how für die richtige Verbuchung komplizierter Sachverhalte vorhalten, als auch technologisch immer auf der Höhe der Zeit sind. Ein Make wird hier meist nur dann sinnvoll sein, wenn die Anforderungen an das Reporting entweder hinsichtlich Detailgrad und Frequenz so gering sind, dass sich die Kosten für ein externes Reporting nicht lohnen, oder aber so speziell, dass sie vom externen Dienstleister nicht zu vertretbaren Kosten abgebildet werden können.
Kosten: Der Kostenaspekt spricht immer dann eher für ein Outsourcing, wenn es sich um skalierbare Tätigkeiten handelt oder um solche, die in einem zu geringen Umfang anfallen, als dass sich das Vorhalten eigener Kompetenz oder spezifischer Ausrüstung hierfür lohnen würde. Kostentreibend ist nämlich nicht das Make an sich, sondern ein Make, für das Ressourcen vorgehalten werden müssen, die nicht passgenau und/oder nicht völlig mit der entsprechenden Aufgabe ausgelastet sind. Da ein statischer Blick hierauf nicht genügt, muss in die Entscheidung über Make or Buy auch der erwartete zukünftige Arbeitsanfall einbezogen werden. Dabei kann auch der Aspekt der sog. Sprungfixkosten für ein Outsourcing sprechen. Während wachsendes externes Arbeitsvolumen nämlich meist nur zu linearen Kostensteigerungen führt, ergibt sich intern oft das Problem, dass sich Arbeits- und Personalwachstum nicht genau harmonisieren lassen und sich Phasen ergeben, in denen zusätzlich eingestelltes Personal höhere Kosten verursacht, aber noch nicht ausgelastet ist.
Regulierung: Auch wenn Single Family Offices regulatorisch größere Freiheiten haben als Multi Family Offices oder Vermögensverwalter, müssen auch sie vor allem bei Leistungen gegenüber den Familienmitgliedern selbst genau im Blick behalten, was sie ohne eine Erlaubnis nach KWG oder KAGB tun dürfen. Teilweise noch rigider sind die Grenzen des Erlaubten nach dem Rechts- oder Steuerberatungsgesetz. Da der Erwerb entsprechender Erlaubnisse meist entweder nicht möglich oder nicht lohnend ist, ergibt sich in gewissem Umfang schon aus den rechtlichen Rahmenbedingungen die Notwendigkeit zum Outsourcing.
Kontrolle: Die Verfolgung der strategischen Ziele, die Einhaltung von Anlagerichtlinien, die Kommunikation mit den Familienmitgliedern, die Compliance mit den internen sowie externen rechtlichen Regelungen und einiges mehr sind Dinge, die mancher Vermögensinhaber gern fortlaufend eng kontrollieren möchte. Je größer hier das Bedürfnis nach Kontrolle und ggf. Eingriff in die Prozesse ist, desto mehr spricht für eine interne Leistungserbringung. Das gilt aber nur dann, wenn diese Kontrolle faktisch auch ausgeübt wird. Andernfalls fährt man womöglich mit externen Dienstleistern besser, die aus regulatorischen und Haftungsgründen in vielfacher Hinsicht erprobte und beaufsichtigte Prozesse abarbeiten.
Vertraulichkeit: Wie schon zu Beginn des Artikels erwähnt, kann der Wunsch nach Vertraulichkeit isoliert von allen anderen Aspekten den Ausschlag für die Entscheidung geben, eine Leistung im eigenen Family Office zu erbringen. Diesen Wunsch kann man aber sicherlich auch hinterfragen. Jeder Dienstleister, der sich nicht aus dem Markt schießen will, wird selbst sehr großen Wert auf Vertraulichkeit legen. Zudem sind seine Mitarbeiter meist von ihren Kunden weit entfernt, anders als Mitarbeiter im Familienunternehmen, die gern auch für die ein oder andere Leistung eingebunden werden. Auch hier lohnt also ein Blick auf jede einzelne Dienstleistung und die Reflektion darüber, welche Aspekte wirklich ein besonderes Vertraulichkeitsbedürfnis rechtfertigen und wie ihm am besten entsprochen werden kann.
Komplexität: Die Vielschichtigkeit einer Governance, die Vielfalt der gegenüber der Familie zu erbringenden Leistungen, der Grad der Diversifikation der Vermögensanlage und die Komplexität eines diese angemessen darstellenden Reportings können wesentliche Aspekte bei der Entscheidung über Make or Buy der entsprechenden Dienstleistungen sein, ohne dass sich abstrakt sagen ließe, in welcher Hinsicht. Denn eine hohe Komplexität kann einerseits für den externen Einkauf speziellen Sachverstands sprechen und kann andererseits so spezifisch sein, dass sie sich einem Externen nicht vermitteln lässt oder jedenfalls von diesem nicht kostenadäquat abgewickelt werden kann.
Was sich hier konkret, ansonsten aber auch jenseits der Komplexitätsfrage zeigt, ist das Folgende: Man wird sehr individuell pro einzelner Leistung entscheiden müssen, wie unter Abwägung aller Gesichtspunkte die Pros und Cons für Make or Buy zu gewichten sind.
Jeder Vermögensinhaber hat die Freiheit, sein Family Office so zu gestalten, wie er das wünscht. Er muss sich hierbei auch nicht zwingend von Effizienzkriterien leiten lassen. Entsprechend kann er etwaige Bedürfnisse nach Unabhängigkeit auch nahezu unbegrenzt ausleben. Wenn er jedoch auch für sein Family Office hohe Ansprüche an Effizienz stellt, ist die Frage nach Make or Buy eine für jede Leistung separat zu entscheidende, bei der die vorstehenden Überlegungen helfen sollten. Dabei kann eine partielle Abhängigkeit von Externen entstehen, andererseits bewahrt auch die weitgehende Leistungserbringung durch das Family Office selbst nicht vor Abhängigkeit, nämlich derjenigen gegenüber dessen Mitarbeitern.
Der Mythos ist eher falsch.
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