Die möglichst weitgehende Unabhängigkeit von Dritten gehört zu den verbreitetsten Mythen in Unternehmerfamilien. Inwieweit das im Zusammenhang des In- oder Outsourcing von Dienstleistungen für die Familie sinnvoll ist, behandelt Teil 8 dieser Beitragsserie:
Mythos #08:
Ein Beirat ist nur ein teurer Zeitfresser
„Wer über Jahrzehnte ein Unternehmen erfolgreich aufgebaut hat, muss sich nicht von einem Kränzchen ahnungsloser Juristen und Banker sagen lassen, wie er sein Geschäft zu führen hat.“ Dieser Aussage wird man klar zustimmen können. Sie geht aber in zwei Dimensionen an der eigentlichen Herausforderung bei der Gründung eines Beirats vorbei: Zum einen ist ein Beirat natürlich nur insoweit sinnvoll, wie er Kompetenzen und Funktionen abdeckt, die anderweitig noch nicht besetzt sind. Die Fähigkeiten von Juristen und Bankern werden tatsächlich nicht überall benötigt, andererseits wird es durchaus Rat geben, der auch einem erfolgreichen Unternehmer nutzt. Zum anderen greift aber oft auch die Verengung des Blicks auf das Familienunternehmen an sich zu kurz: Denn meist gibt es neben dem Familienunternehmen noch weiteres Vermögen und vor allem andere Personen, die darauf vertrauen sollen, dass ihr Vermögen optimal verwaltet wird. Für sie erhöht ein Beirat oft nicht nur die Qualität der Vermögensverwaltung, sondern auch die Akzeptanz der gesamten Governance.
Betrachten wir einmal das Beispiel eines Familienvermögens, das schwerpunktmäßig in dem Familienunternehmen steckt, welches der Senior dereinst gegründet hat, an dem inzwischen aber auch schon seine Kinder und vielleicht auch schon einige Enkel beteiligt sind. Über die Jahre wurde neben dem Familienunternehmen noch ein beachtliches Immobilienportfolio aufgebaut, existieren mehr oder minder liquide angelegte sonstige Finanzmittel und bestehen ein oder zwei weitere unternehmerische Beteiligungen, über die vielleicht die Kinder in die Gesamtgruppe eingebunden wurden. In einer solchen Konstellation kann ein Beirat für das Familienunternehmen, der sich mit dessen spezifischen Marktherausforderungen auskennt, durchaus sinnvoll sein. Mindestens ebenso wichtig ist aber ein Beratungs- und Überwachungsorgan, das den Blick über das Familienunternehmen hinaus auf die anderen Assetklassen weitet, die Gesamtvermögenssteuerung im Auge hat und die Interessen der nicht in die Governance integrierten Familienmitglieder geltend macht. Das erhöht die Qualität, mit der das gesamte Familienvermögen verwaltet wird, weil die Beiratsmitglieder zusätzliches Know-how einbringen und die jeweils operativ Verantwortlichen durch die Institution Beirat dazu gezwungen werden, ihre Entscheidungen besser und mit einem objektiveren Blickwinkel zu treffen. Gleichzeitig verbessert sich auch die Akzeptanz der Vermögenssteuerung in der Familie, vor allem bei denjenigen Familienmitgliedern, die selbst keinen unmittelbaren Einfluss nehmen wollen oder dürfen. Sie wissen, dass es eine Institution gibt, die sich um ihre Interessen kümmert. Im Konfliktfall kann diese Institution zur Objektivierung und ggf. zur Streitschlichtung zwischen Familie und Geschäftsführung oder innerhalb der Familie beitragen. Auch bei der Nachfolge kann ein Beirat wertvolle Beiträge liefern, vom Coaching der Nachfolgekandidaten über die Feststellung ihrer ausreichenden Qualifikation bis hin zur Moderation zwischen den Generationen.
Der skeptische Patriarch wird sich vielleicht dennoch fragen, warum es für all dies eines regelmäßig tagenden und dauerhaft zu entlohnenden Gremiums bedarf – Stichwort „teurer Zeitfresser“. Der Grund liegt darin, dass durch die Verstetigung und Institutionalisierung des teilweise familienexternen Einflusses den in jeder Familie latent vorhandenen Tendenzen entgegengewirkt wird, Konflikten aus dem Weg zu gehen, unangenehme Themen zu schieben und quer treibende Familienmitglieder lieber zu besänftigen als Klarheit hinsichtlich der widerstreitenden Positionen zu schaffen. Dadurch, dass man sich Regeln gibt, wo der Beirat einzubeziehen ist, und dieser darauf hinwirkt, bestimmte inhaber- oder vermögensstrategische Fragen immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen und mit einer gewissen Distanz zu diskutieren, zwingt sich die Familie selbst, diese Themen anzugehen. Diese Funktion können externe Berater aufgrund eines reinen Beratungsverhältnisses schwerlich übernehmen. Dafür bedarf es einer gewissen Verbindlichkeit auf beiden Seiten, die im Verhältnis zu einem externen Berater nicht gegeben ist: Die Familie muss sich darauf verlassen können, dass sich das Beiratsmitglied eingehend mit ihren Belangen auseinandersetzt und sich dauerhaft für sie einsetzt. Das ist die Basis für das Vertrauen zu dem Beiratsmitglied. Dieses benötigt ebenfalls eine gewisse Dauerhaftigkeit der Mandatsbeziehung, die Voraussetzung und auch Motivation für die eingehende Befassung mit den familiären Besonderheiten ist.
Damit sind wir bei der Frage angelangt, welche Aufgaben und Kompetenzen ein Beirat haben sollte. Eine allgemein gültige Antwort kann man darauf nur in einer Hinsicht geben: Die Aufgaben und Kompetenzen sollten klar definiert sein. Worin sie bestehen, hängt von der konkreten Konstellation ab. Je nach Ausgestaltung kann der Beirat z.B. wichtige entscheidende Funktionen übernehmen und etwa bei einem virtuellen oder hybriden Family Office (siehe Mythos #07) dessen Head von einem Teil der Verantwortung entlasten. Bei entsprechender Größe und Komplexität des Familienvermögens kann es sich auch anbieten, die einzelnen Assetklassen rechtlich und/oder organisatorisch zu separieren und für jede von ihnen einen mit spezifischer Expertise besetzten Beirat einzurichten. Abstrakt wird man sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit dem Beirat eine normative Kompetenz (z.B. Festlegung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung) zukommen oder ob er sich auf eine strategische Kompetenz beschränken soll. Soll er Personalkompetenz haben, z.B. bei Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, und inwieweit soll er operative Kompetenzen z.B. bei Anlageentscheidungen oder zustimmungsbedürftigen Geschäften oder der Festlegung eines Jahresbudgets besitzen? Diese Fragen stellen sich, sofern man über einen kontrollierenden und entscheidenden Beirat nachdenkt, und diese Entscheidungsbefugnisse können sich auch noch auf weitere Gegenstände im Zusammenhang mit der Rechnungslegung und der Gewinnverwendung beziehen. In Abgrenzung dazu kann man den Beirat auch als nur beratend und moderierend ausgestalten. Das ist sinnvoll, wenn ein weitgehender Interessengleichlauf zwischen allen Gesellschaftern und den operativ Verantwortlichen Kontrolle entbehrlich macht und es eher um die Gewinnung von zusätzlichem Know-how oder von Kontakten geht. In diesen Fällen wird die operative Verantwortung meist in der Hand der Familie liegen, die zudem noch klein oder zumindest sehr homogen sein wird.
Besteht Klarheit darüber, was der Beirat tun und dürfen soll, gilt es, ihn in das rechtliche Gefüge, in dem das Familienvermögen verwaltet wird, zu integrieren. Er sollte also in den Gesellschaftsvertrag derjenigen Gesellschaft aufgenommen werden, für deren unmittelbar oder mittelbar über Tochtergesellschaften gehaltenes Vermögen er zuständig ist. Liegt der Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit auf inhaberbezogenen Fragen, sollte er in der Holding angesiedelt werden. In jedem Fall sind die Regelungen zu anderen Organen (Gesellschafterversammlung, Geschäftsführung) anzupassen, soweit der Beirat Rechte an ihrer Stelle wahrnehmen oder Einfluss auf ihre Tätigkeiten ausüben soll. Dabei ist dann auch zu regeln, wieviele Beiratsmitglieder von wem für wie lange bestellt werden und welche Mehrheiten für ihre Wahl und ihre Abberufung erforderlich sein sollen. Wenn bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen oder Entscheidungen von der Zustimmung des Beirats abhängen sollen, sollten die entsprechenden Tatbestände in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung definiert werden. Eine Geschäftsordnung kann sich auch für den Beirat selbst empfehlen. Hier können die Formalien der Einberufung und Durchführung der Sitzungen, der Beschlussfassung, der Protokollierung sowie der Bestimmung und der Rechte des Beiratsvorsitzenden geregelt werden.
Fazit: Auch der erfolgreiche Familienunternehmer kann den Rat durch ein sorgfältig konstruiertes und besetztes Gremium gebrauchen. Noch mehr brauchen aber die übrigen Vermögensinhaber einen Beirat, um den von ihnen erwarteten weitgehenden Verzicht auf Einflussnahme auf ihr Vermögen zu kompensieren. Die damit geschaffene Entspannung nutzt auch dem Patriarchen. Bei sinnvoller Ausgestaltung der Beiratstätigkeit im Alltag ist der Beirat vor diesem Hintergrund sicherlich kein nutzloser und teuer Zeitfresser. Der Frage, wie man die Personen auswählt, die dieses Gremium den Erwartungen entsprechend ausfüllen, wenden wir uns im nächsten Teil dieser Artikelserie zu.
Der Mythos ist eher falsch.
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