Obwohl immer mehr Familienunternehmen einen Beirat installieren, halten sich in manchen Familien hartnäckig die Vorbehalte gegen eine solche Einrichtung:
Mythos #10:
Der Beirat eines Familienunternehmens ist nur ein Feigenblatt
Im Mythos #09 haben wir gesehen, dass ein sorgfältig gemäß den Bedürfnissen der Familie konstruierter Beirat durchaus mehr als ein teurer Zeitfresser sein kann. Dafür muss aber natürlich gewährleistet sein, dass auch die richtigen Personen gefunden werden, die die mit dieser Konstruktion angestrebten Ziele zu erreichen in der Lage sind. Der in diesem Zusammenhang teilweise zu hörenden Warnung, dabei nicht den Blick auf die Freunde aus dem Golfclub zu verengen, liegt zweifellos eine etwas klischeehafte Vorstellung zugrunde. Damit wäre der Beirat wahrscheinlich tatsächlich nur ein Feigenblatt, denn eine kritische und weiterführende Beratung wäre auf diese Weise wohl allenfalls zufällig zu gewährleisten. Aber auch eine maximal breit angelegte Personalsuche wird keine guten Erfolge zeitigen, wenn nicht zuvor die richtigen Leitplanken dafür definiert worden sind. Diese ergeben sich natürlich zunächst aus den Aufgaben des Beirats: Sofern bestimmtes fachliches Know-how oder der Zugang zu einem bestimmten Netzwerk gewünscht sind, muss dies natürlich durch die Beiratsmitglieder abgedeckt werden. Aber es muss auch nicht jedes Mitglied alles mitbringen, vielmehr ist es geschickter, darauf zu achten, dass alle gewünschten Bereiche abgedeckt werden, wenn auch nicht von jedem. Hier mit einer matrizenhaft oder grafisch dargestellten Soll-/Ist-Analyse der gesamten Kompetenzen des Beirats zu arbeiten, schafft sinnvolle Transparenz.
Auch auf der persönlichen Seite muss die Zusammensetzung des Beirats passen. Das gilt einmal hinsichtlich der Zusammenarbeit der Beiratsmitglieder miteinander. Hier muss die Chemie stimmen. Aber je nach Aufgabe und Funktion des Beirats müssen seine Mitglieder auch auf persönlicher Ebene bestimmte Herausforderungen erfüllen können. Liegt sein Fokus auf der strategischen Beratung, bedarf es anderer Persönlichkeiten, als wenn es um das Treffen konkreter Anlageentscheidungen oder die Moderation eines Nachfolgeprozesses geht. Auch hier muss nicht jede persönliche Kompetenz von jedem Beiratsmitglied abgedeckt werden; für jede erwartete Leistung des Beirats sollte aber die entsprechende Kompetenz zumindest in einer Person vorhanden sein. Dabei kann auch eine gewisse Diversität des Beirats nicht schaden; nicht weil es Mode ist, sondern weil die Diskussionen, Entscheidungen und Impulse des Beirats besser sein werden, wenn seine Mitglieder nicht alle gleich alt, gleicher beruflicher Herkunft und gleichgeschlechtlich sind. Es genügt aber nicht, nur auf die Chemie und Akzeptanz innerhalb des Beirats zu schauen, sondern sie ist idealerweise auch im Hinblick auf die zu beratenden Geschäftsführungsorgane gegeben.
Die Besetzungsfrage engt sich oft dadurch ein, dass durch Benennungs- oder Vorschlagsrechte vorgegeben wird, einzelne Beiratsmitglieder aus dem Kreis der Familie, bestimmten Familienstämmen oder anderen Funktionen innerhalb der Family oder Corporate Governance zu besetzen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt bei der Konzeptionierung des Beirats. Gerade wenn er verschiedenen oder in der Geschäftsführung nicht berücksichtigten Strömungen der Familie Einfluss verschaffen soll, kann er die damit beabsichtigte Befriedungsfunktion nur dann entfalten, wenn die Repräsentanz dieser Strömung im Beirat dauerhaft sichergestellt ist. Je nachdem, wie viele der fachlichen und persönlichen Erfordernisse des Beirats durch die auf diese Weise mehr oder minder geborenen Mitglieder schon abgedeckt oder eben noch nicht abgedeckt sind, kann dieser Aspekt die Auswahl der gekorenen Mitglieder noch einmal verkomplizieren. Denn aus Gründen der Diskussions- und Terminfindungseffizienz sollte die Anzahl der Beiratsmitglieder insgesamt nicht zu hoch geschraubt werden (fünf Mitglieder sind eine bewährte Obergrenze).
Sehr wichtig sind auch Funktion und Person des Beiratsvorsitzenden. Er oder sie steuert die Diskussionen innerhalb des Beirats und stellt das Bindeglied zur Familie einerseits und zur Operative andererseits dar. Wenn es um Streitschlichtung, das Austarieren von Stammesinteressen und das Setzen von Themen geht, kommt dieser Funktion eine zentrale Bedeutung zu. Die für die anderen Beiratsmitglieder diskutierten Entscheidungspunkte – fachliche und persönliche Passung, Vorschlags- oder Benennungsrecht – haben hier eine noch einmal erhöhte Relevanz. Und Familiendynamiken sind hier ebenfalls in besonderem Maß zu beachtern: So empfiehlt es sich nur in seltenen Fällen, Geschäftsführer und Vorsitz eines kontrollierenden Beirats gleichermaßen familienintern zu besetzen. Das Risiko, dass hier Familien- und Geschäftsthemen nicht sauber voneinander getrennt werden, ist einfach zu groß. Andererseits ist eine familieninterne Besetzung des Vorsitzes eines kontrollierenden Beirats bei familienexterner operativer Verantwortung umso mehr zu empfehlen. Andernfalls läuft die Familie Gefahr, die Verantwortung für ihr Vermögen zu sehr aus der Hand zu geben.
Gleichgültig ob Vorsitzender oder Mitglied des Beirats – auch für die Familienvertreter muss gewährleistet sein, dass sie die persönlichen und fachlichen Qualifikationen erfüllen, die für die Beiratsarbeit erforderlich sind. Dafür sollte definiert werden, welche Kenntnisse erforderlich und wie sie nachzuweisen sind. Sinnvoll ist es auch, weniger erfahrenen Familienmitgliedern über längere Zeit einen Gaststatus in dem Beirat einzuräumen, damit sie ein gutes Gefühl dafür entwickeln können, welche Erwartungen an sie gestellt werden und wo sie sich vielleicht noch fortbilden sollten.
Insgesamt gilt aber, dass der richtig konzipierte und besetzte Beirat alles andere als nur ein Feigenblatt ist. Er kann die Arbeit der operativ Verantwortlichen sinnvoll bereichern und für die restliche Familie deren Verzicht auf Kontrolle der Verwaltung des Familienvermögens erheblich kompensieren.
Der Mythos ist falsch.
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